Dr. Klaus Kreutz von der Xantener Kanzlei Kreutz & Partner über die Herausforderungen der Unternehmensnachfolge.
NRM: Herr Dr. Kreutz, Sie haben schon zahlreiche Unternehmensnachfolgen begleitet. Was ist die Quintessenz Ihrer Erfahrungen?
Dr. Klaus Kreutz: Hier sollten vor allem zwei Punkte genannt
werden. Zum einen handelt es sich um ein hoch-emotionales Thema. Das
wird leider sehr oft unterschätzt. Viele meinen, es ginge nur um Zahlen,
Daten, Fakten. Diese rationalen Dinge spielen natürlich auch eine
Rolle, die mit Hilfe von Experten wie uns angegangen werden müssen.
Mindestens ebenso wichtig ist aber eine ganz persönliche Vorbereitung
der Betroffenen. Damit verbunden ist der zweite wichtige Punkt. Er
betrifft den Zeitpunkt der ersten Auseinandersetzung mit der eigenen
Nachfolge. Hier gilt ohne Wenn und Aber: Man kann damit gar nicht früh
genug anfangen. Eine Nachfolge-Regelung kann sich über Jahre hinziehen.
Und je älter ich als Chef oder Chefin bin, desto schwieriger wird es. In
den vielen Unternehmen, für die wir als externe Rechtsabteilung
langfristig tätig sind und die es mittel- oder langfristig betreffen
wird, bringen wir das Thema daher immer wieder aufs Tapet. Und unsere
Klienten sind dankbar dafür - auch wenn sie es vielleicht nicht immer
direkt sagen.
NRM: Bleiben wir zunächst bei der Emotionalität. Worin liegt diese begründet?
Dr. Klaus Kreutz: Die Nachfolge betrifft ja oft
Familienunternehmen. In diesen kann es beispielsweise passieren, dass
der hoch motivierte Sohn überhaupt nicht dazu geeignet ist, in die
Fußstapfen des Vaters zu treten. Das kann zu Entwicklungen führen, wie
sie Shakespeare nicht dramatischer hätte beschreiben können. Denn es
treffen starke Gefühle auf Geschäftliches und Finanzielles. Und das ist
bekanntlich keine gute Mischung.
NRM: Gibt es auch Fälle, in denen die Kinder schlicht keine Lust
haben, das Firmen-Erbe anzutreten, die Eltern aber fest damit rechnen?
Dr. Klaus Kreutz: Aber sicher, auch das gibt es. Stellen Sie sich
einen gestandenen Unternehmer vor, der eine Maschinenbau-Firma aus dem
Nichts aufgebaut hat und Jahrzehnte lang fast ausschließlich für deren
Erfolg gelebt hat. Der Sohn, der das BWL-Studium mit Ach und Krach
geschafft hat, soll nun das Steuer übernehmen. Und dann stellt sich
heraus, dass der vermeintliche Junior-Chef viel lieber Krankenpfleger
sein möchte - und für diesen Beruf auch deutlich besser geeignet ist. Da
werden ganze Lebensplanungen über den Haufen geworfen.
NRM: Aber wie wollen Sie solche Szenarien verhindern?
Dr. Klaus Kreutz: Wie schon gesagt: Durch eine frühe
Auseinandersetzung mit dem Thema, verbunden mit einer offenen
Herangehensweise. Wenn ich mich innerlich festgelegt habe, dass die
Nachfolge so und so zu laufen hat, kann man es gleich vergessen.
Loslassen gehört dazu.
NRM: Das klingt sehr plausibel. Wie erklären Sie es sich aber
dann, dass Kaufleute, denen sonst niemand etwas vormachen kann, noch mit
75 Jahren und mehr auf Chefsesseln sitzen, ohne einen Plan für die Zeit
nach ihnen in der Schublade zu haben?
Dr. Klaus Kreutz: Wenn ich mir als Jurist diese psychologische
Einschätzung erlauben darf: Es hat viel mit Verdrängung zu tun. Das
Thema Nachfolge empfinden viele als unangenehm. Außerdem geht es ja
nicht nur im beruflichen Sinne um die Zeit danach.
NRM: Was meinen Sie damit genau?
Dr. Klaus Kreutz: Wer Zeit seines Lebens früh morgens in die
Firma gefahren und spätabends heimgekommen ist, dem wird es extrem
schwer fallen, plötzlich nur noch auf der Couch zu sitzen. Deswegen
gehören zu einer umfassenden Nachfolge auch die persönlichen Pläne: Habe
ich Hobbys, die ich ausweiten kann? Möchte ich mich verstärkt sozial
engagieren?
NRM: Was halten Sie denn von der Variante des langsamen Aufhörens?
Dr. Klaus Kreutz: Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch das
eine gute Möglichkeit. Ich kann die Neuen an der Spitze erst einmal
einarbeiten oder ich bleibe der Firma als Berater verbunden. Niemand
sagt, dass es einen harten Schnitt geben muss.
NRM: Kommen wir zum Knackpunkt der meisten Nachfolgen: dem Preis…
Dr. Klaus Kreutz: Wir als Berater erleben es nicht selten, dass
die Vorstellungen auf Verkäuferseite nicht realistisch sind - vor allem
dann, wenn es außerhalb der Familie verkauft werden soll. Dann ist es
unsere Aufgabe, die Leute auf den Boden der Tatsachen zurückzuführen.
Besonders kritisch ist es natürlich, wenn das Unternehmen als
Altersvorsorge dienen soll, zumindest im aktuellen Zustand aber so gut
wie unverkäuflich ist, zum Beispiel durch einen Sanierungsstau oder eine
schlechte Personalpolitik in der Vergangenheit. Dann muss es zunächst
auf Vordermann gebracht werden, um es für mögliche Käufer interessant zu
machen.
NRM: Was halten Sie von einem schrittweisen Verkauf?
Dr. Klaus Kreutz: Dann spielt der Verkäufer sozusagen Bank für
den Käufer. Das setzt natürlich ein hohes Vertrauen in die Fähigkeiten
der nächsten Generation voraus. Gerade bei familieninternen Nachfolgen
kann dieser Weg aber Sinn machen, wenn nicht auf einen Schlag genügend
Kapital „locker gemacht“ werden kann.
NRM: Lässt sich eine Nachfolge ohne externe Beratung über die Bühne bringen?
Dr. Klaus Kreutz: Man mag mir eine gewisse Voreingenommenheit
unterstellen, aber ich kann diese Fragen, so glaube ich, ganz objektiv
beantworten: Ohne professionelle Hilfe, unter anderem durch Juristen und
Steuerberater, ist es nicht zu stemmen - jedenfalls nicht ohne
unkalkulierbare Risiken.
Daniel Boss | redaktion@regiomanager.de
Zuerst erschienen im Niederrhein-Manager